Green Deal, EU-Taxonomie und die Bedeutung für Nachhaltigkeit in Unternehmen

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Green Deal, EU-Taxonomie und die Bedeutung für Nachhaltigkeit in Unternehmen

Der europäische Green Deal und die EU-Taxonomie setzen neue Maßstäbe, um Unternehmen auf einen klimaneutralen, ressourceneffizienten und zukunftsfähigen Kurs zu bringen.

Der europäische Green Deal und die EU-Taxonomie sind zwei zentrale Bausteine der europäischen Nachhaltigkeits- und Klimapolitik, die seit ihrer Vorstellung im Jahr 2019 bzw. 2020 kontinuierlich weiterentwickelt werden. Ihr übergeordnetes Ziel ist es, die Europäische Union auf einen Pfad zu lenken, der bis 2050 Klimaneutralität erreicht, die biologische Vielfalt schützt, eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft etabliert und langfristig die Lebensgrundlagen der Menschen sichert. Durch immer konkretere Vorgaben, neue Berichtspflichten und die Verknüpfung mit dem europäischen Finanzsektor nehmen diese Instrumente einen stetig wachsenden Einfluss auf Unternehmen jeglicher Branche. Während der Green Deal als umfassende Wachstums- und Transformationsstrategie zahlreiche Politikfelder abdeckt, ist die EU-Taxonomie ein technisches Klassifizierungssystem für nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten, das Investoren, Banken und Unternehmen als Orientierung dient. Die Auswirkungen reichen dabei von strengeren Offenlegungspflichten und veränderten Investitionsbedingungen bis hin zu Innovationen, neuen Geschäftsfeldern und einer aktiveren Rolle der Unternehmen im Klimaschutz. Im Folgenden werden die wichtigsten Entwicklungen und aktuellen Fakten zu Green Deal und EU-Taxonomie vorgestellt, ihre Verzahnung mit weiteren EU-Regulierungen (wie der Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz CSRD) erläutert und die daraus resultierende Bedeutung für die Nachhaltigkeit in Unternehmen ausführlich beleuchtet.

Der europäische Green Deal im Überblick


Der Green Deal wurde im Dezember 2019 von der Europäischen Kommission unter Ursula von der Leyen vorgestellt und ist seitdem zum Leitfaden für eine umfassende Transformation der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft geworden. Er bildet den übergeordneten Rahmen, unter dem zahlreiche Maßnahmen, Gesetze, Strategien und Aktionspläne zusammengefasst sind. Die wichtigsten Ziele sind:

  1. Klimaneutralität bis 2050:
    Die EU hat sich rechtlich verbindlich dazu verpflichtet, bis 2050 ein Netto-Null-Emissionsziel zu erreichen. Dieses Ziel wurde im Europäischen Klimagesetz von 2021 verankert. Darüber hinaus wurde im „Fit for 55“-Paket, das die Kommission im Juli 2021 vorgestellt hat, ein Zwischenziel definiert: Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen der EU um mindestens 55 % gegenüber 1990 reduziert werden. Um dieses Zwischenziel zu erreichen, werden Sektoren wie Energie, Verkehr, Bau, Landwirtschaft und Industrie umfassend umstrukturiert.
  2. Förderung der Kreislaufwirtschaft:
    Die EU verfolgt eine Strategie, in der Produkte länger genutzt, repariert, wiederaufbereitet und schließlich recycelt werden. Der Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft von 2020 sieht vor, dass Produkte künftig nachhaltiger gestaltet werden. Konkret geht es etwa um langlebigere Elektrogeräte, ressourceneffiziente Bauprodukte und die Förderung von Sekundärrohstoffen. Unternehmen müssen sich zunehmend darauf einstellen, dass lineare Geschäftsmodelle (Ressourcen entnehmen, Produkte herstellen, wegwerfen) durch zirkuläre ersetzt werden.
  3. Schutz der Biodiversität und Ökosysteme:
    Die EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 zielt darauf ab, geschädigte Ökosysteme wiederherzustellen, Naturflächen auszuweiten und den Einsatz von Pestiziden sowie die Umweltverschmutzung zu verringern. Unternehmen in Sektoren wie Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei, aber auch in Industrie und Infrastrukturprojekte sind davon betroffen.
  4. Saubere und erneuerbare Energien:
    Der Ausbau von Wind-, Solar- und anderen erneuerbaren Energien steht im Zentrum der Dekarbonisierungspläne. Gleichzeitig werden Kohleausstiege in vielen Mitgliedstaaten vorangetrieben. Die neueren REPowerEU-Pläne (seit 2022) beschleunigen den Ausbau erneuerbarer Energien und zielen darauf ab, Europas Energieabhängigkeit von fossilen Brennstoffen (insbesondere aus Russland) zu reduzieren. Unternehmen aus dem Energiesektor und der produzierenden Industrie müssen ihre Energieversorgung überprüfen und anpassen.
  5. Nachhaltige Mobilität und Infrastruktur:
    Der europäische Mobilitätssektor soll klimafreundlicher werden: Elektromobilität, Wasserstoff, nachhaltige Kraftstoffe und effizientere Verkehrssysteme rücken stärker in den Fokus. Unternehmen im Automobilsektor, in der Logistik oder im öffentlichen Personennahverkehr müssen ihre Flotten und Lieferketten deutlich umgestalten.
  6. Null-Schadstoff-Ziel (Zero-Pollution-Action-Plan):
    Die EU will bis 2050 ein Umfeld schaffen, in dem Luft, Wasser und Boden weitgehend frei von Schadstoffen sind. Dies setzt strengere Vorgaben für Emissionen, Abwasserbehandlung, Abfallmanagement und Chemikalienregulierung voraus, was besonders für Unternehmen in Chemie, Pharma, Textil, Agrar- und Nahrungsmittelsektor relevant ist.

Die EU-Taxonomie als Klassifizierungssystem für Nachhaltigkeit


Die EU-Taxonomie, seit Juni 2020 schrittweise eingeführt, ist ein zentrales Instrument, um Transparenz am Finanzmarkt zu schaffen. Sie definiert, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als ökologisch nachhaltig gelten. Dafür werden sechs Umweltziele festgelegt, die in mehreren Schritten mit technischen Bewertungskriterien konkretisiert werden:

  1. Klimaschutz
  2. Anpassung an den Klimawandel
  3. Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
  4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
  5. Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
  6. Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme

Um als nachhaltig eingestuft zu werden, muss eine Aktivität substanzielle Beiträge zu mindestens einem dieser Ziele leisten, darf keinem der anderen Ziele erheblichen Schaden zufügen („Do no significant harm“-Prinzip) und muss Mindestanforderungen an soziale Standards erfüllen.
Seit dem 1. Januar 2022 sind die Kriterien für die ersten beiden Umweltziele (Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel) bereits in Kraft. Im Jahr 2023 wurden weitere technische Bewertungskriterien für die restlichen vier Umweltziele festgelegt, sodass Unternehmen und Investoren inzwischen einen umfassenderen Orientierungsrahmen haben. Ab 2024 und 2025 müssen immer mehr Unternehmen, die unter die neuen Berichtspflichten der EU (beispielsweise CSRD) fallen, Informationen zu ihren Taxonomie-konformen Aktivitäten offenlegen. Dies betrifft laut Schätzungen der Europäischen Kommission rund 50.000 Unternehmen in der EU, darunter nicht mehr nur Großunternehmen, sondern auch viele mittelständische Betriebe, die kapitalmarktorientiert sind oder bestimmte Schwellenwerte überschreiten.

Verzahnung mit weiteren Regulierungen: CSRD, CSDD und ESG-Standards


Die EU-Taxonomie ist eng mit anderen Gesetzesvorhaben und Richtlinien verknüpft, die insgesamt zu einer neuen Ära der Nachhaltigkeitsberichterstattung führen. Die wichtigste davon ist die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die ab 2024 in Kraft tritt und weitreichende Offenlegungspflichten über Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen (ESG) vorschreibt. Unternehmen müssen künftig detailliert über Klimarisiken, Emissionen, Lieferkettenpraktiken, ökologische Auswirkungen und soziale Faktoren berichten. Die EU-Taxonomie dient dabei als Referenzrahmen, um zu beurteilen, welche Aktivitäten als nachhaltig gelten und inwieweit Unternehmen ihre Geschäftsmodelle bereits an die Ziele des Green Deals ausrichten.

Darüber hinaus ist die geplante Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDD) relevant. Sie soll Unternehmen verpflichten, Menschenrechts- und Umweltrisiken in ihren Lieferketten zu identifizieren, anzugehen und darüber zu berichten. Auch hier greifen Unternehmen künftig auf die EU-Taxonomie, ESG-Standards und den Green Deal zurück, um ihre Strategien und Maßnahmen glaubhaft darzustellen.

Bedeutung für Unternehmen: Risiken, Chancen und strategische Implikationen


Die Anforderungen des Green Deals, der EU-Taxonomie und der damit verbundenen Richtlinien stellen eine tiefgreifende Zäsur für viele Unternehmen dar. Während früher Nachhaltigkeit eher als „Nice-to-have“ galt, ist sie heute ein integraler Bestandteil der Geschäftsstrategie. Die Auswirkungen lassen sich in mehreren Bereichen festmachen:

  1. Finanzierung und Investitionen:
    Investoren, Banken und Versicherungen setzen verstärkt auf ESG-Kriterien und Taxonomie-Konformität, um finanzielle Risiken zu minimieren und ihre Portfolios zukunftsfest zu gestalten. Unternehmen, die ihre Tätigkeiten als nachhaltig ausweisen, profitieren von günstigeren Finanzierungskonditionen, einem größeren Investorenkreis und besseren Kreditratings. Umgekehrt können jene, die nicht nachhaltig agieren, zukünftig mit eingeschränktem Zugang zu Kapital, höheren Zinsen oder gar Desinvestitionen konfrontiert sein.
  2. Berichterstattung und Transparenz:
    Die neuen Offenlegungspflichten fordern von Unternehmen detaillierte Informationen über ihre Emissionen, ihre Ressourceneffizienz, ihr Lieferkettenmanagement, ihre Biodiversitätsauswirkungen und ihre sozialen Standards. Durch einheitliche, standardisierte ESG-Berichtssysteme (darunter die kommenden European Sustainability Reporting Standards, ESRS) wird eine bessere Vergleichbarkeit und Nachvollziehbarkeit von Nachhaltigkeitsleistung erreicht. Dies steigert das Vertrauen von Investoren, Kunden und weiteren Stakeholdern und zwingt Unternehmen, sich strukturell mit ihren Nachhaltigkeitsstrategien auseinanderzusetzen.
  3. Wettbewerbsfähigkeit:
    Nachhaltigkeit entwickelt sich zum neuen Qualitätsmerkmal und wird damit zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Unternehmen, die frühzeitig auf erneuerbare Energien, kreislaufwirtschaftliche Produkte, ressourceneffiziente Prozesse und soziale Verantwortung setzen, können sich Marktanteile sichern, neue Geschäftsfelder erschließen und sich als Vorreiter in ihrer Branche positionieren. Diese Unternehmen erhöhen ihre Markenreputation, binden Kunden und Talente und werden langfristig resilienter gegenüber regulatorischen Veränderungen und Marktschocks.
  4. Risikomanagement:
    Klimarisiken, Lieferkettenunterbrechungen durch Extremwetterereignisse, steigende Energie- und Rohstoffkosten sowie strengere Umweltauflagen erhöhen den Druck auf Unternehmen, Nachhaltigkeit als Teil ihres Risikomanagements zu verstehen. Wer proaktiv agiert, kann mögliche Schäden begrenzen, Handlungskosten senken und seine Resilienz gegenüber externen Schocks verbessern.
  5. Innovation und neue Geschäftsmöglichkeiten:
    Der Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit erfordert innovative Lösungen: von klimaschonenden Technologien in der Energieversorgung über neue Geschäftsmodelle im Bereich Sharing Economy oder Recycling bis hin zu ressourcenschonenden Produktionsmethoden in der Industrie. Unternehmen, die in Forschung und Entwicklung zukunftsträchtiger Techniken investieren, können neue Märkte erschließen, sich von der Konkurrenz abheben und frühzeitig auf sich wandelnde Kundenbedürfnisse reagieren.

Herausforderungen in der Umsetzung


Die Umstellung auf nachhaltige Geschäftsmodelle und die Einhaltung der Taxonomie-Kriterien sind jedoch auch mit Herausforderungen verbunden. Viele Unternehmen müssen große Investitionen tätigen, ihre Lieferketten neu ordnen, Produktionsprozesse umstellen und Personal weiterbilden. Insbesondere in Branchen mit hohem Energieverbrauch, intensiver Materialnutzung oder komplexen internationalen Lieferketten können die Kosten und der Aufwand erheblich sein. Zudem ist die Datenerhebung für die Berichterstattung oft anspruchsvoll, da Unternehmen oftmals noch keine etablierten Systeme zur Erfassung von Emissionen, Ressourcenverbräuchen oder sozialen Indikatoren haben. Die stetig weiterentwickelten Rechtsvorgaben erfordern zudem eine gewisse Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, um langfristig compliant zu bleiben.

Beispielhafte Entwicklungen und Fakten (Stand 2023/2024):

  • Laut Angaben der Europäischen Kommission wird das erweiterte EU-Klima- und Energiepaket (Fit for 55) erwartungsgemäß jährlich zusätzliche Investitionen in Höhe von rund 350 Milliarden Euro in den nächsten Dekaden erforderlich machen.
  • Der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch in der EU lag 2021 bei rund 22 %. Das Ziel, diesen Anteil bis 2030 auf mindestens 42,5 % (bzw. mit ambitionierterer Variante 45 %) zu erhöhen, ist im Rahmen von REPowerEU gesetzt.
  • Über 50.000 Unternehmen in Europa werden aufgrund der CSRD zukünftig neue, umfangreiche Nachhaltigkeitsberichte vorlegen müssen. Dies erhöht den Druck auf Unternehmen, sich nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ belastbar mit ihren Umweltauswirkungen auseinanderzusetzen.

Fazit: Chancen für eine nachhaltige Zukunft


Der europäische Green Deal und die EU-Taxonomie zwingen Unternehmen zu einem Paradigmenwechsel. Was einst ein freiwilliger Schritt in Richtung „grüner“ Markenpflege war, ist heute ein zentraler Bestandteil der Unternehmensstrategie und -finanzierung. Die ambitionierten Klimaziele, die neuen Finanzierungs- und Offenlegungsregeln sowie die übergreifende Verzahnung mit Themen wie Biodiversität, Kreislaufwirtschaft und sozialer Verantwortung verlangen ein Umdenken auf allen Ebenen des Unternehmens. Gleichzeitig bietet dieser Wandel zahlreiche Chancen: Wer heute in klimaschonende Technologien, ressourceneffiziente Prozesse und nachhaltige Lieferketten investiert, kann sich morgen als Marktführer etablieren, die eigene Resilienz erhöhen und langfristige Wertschöpfung sichern.

Der Prozess ist komplex, aber die Richtung ist eindeutig: Die EU gestaltet die Rahmenbedingungen so, dass sich nachhaltiges Wirtschaften langfristig lohnt. Unternehmen, die sich frühzeitig an die neuen Standards anpassen, positionieren sich erfolgreich in einem sich rasch wandelnden Marktumfeld, erfüllen die Anforderungen von Investoren, Kunden und Regierungen und leisten einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung globaler Herausforderungen. Diese Entwicklung ist nicht nur im Sinne des Klimas und der Umwelt, sondern zahlt sich langfristig auch ökonomisch aus.