Was sind nachhaltige Produktdaten?

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Was sind nachhaltige Produktdaten?

Erfahren Sie, welche Rolle nachhaltige Produktdaten für umweltfreundliche und sozial verträgliche Entscheidungen spielen und wie Unternehmen und Verbraucher davon profitieren.

Nachhaltigkeit ist längst kein Nischenthema mehr, sondern hat sich in den letzten Jahren zu einem zentralen Leitmotiv in der Wirtschaft und Gesellschaft entwickelt. Unternehmen stehen zunehmend unter Druck, ihre ökologischen und sozialen Auswirkungen transparent offenzulegen und aktiv zu reduzieren. Ein wichtiger Baustein in diesem Zusammenhang sind nachhaltige Produktdaten. Doch was genau verbirgt sich hinter diesem Begriff, warum sind solche Daten so entscheidend, und wie sind sie in aktuelle Entwicklungen wie die EU-Taxonomie, den europäischen Green Deal und neue Berichtspflichten eingebettet?

Definition und Bedeutung nachhaltiger Produktdaten


Nachhaltige Produktdaten sind detaillierte Informationen, die Auskunft über die ökologischen, sozialen und zunehmend auch die Governance-Aspekte eines Produkts während seines gesamten Lebenszyklus geben. Sie liefern Erkenntnisse über die eingesetzten Rohstoffe, ihre Herkunft und Abbaubedingungen, die Energie- und Materialeffizienz der Produktion, den Ressourcenverbrauch im laufenden Betrieb, die Reparierbarkeit, Langlebigkeit und Recyclingfähigkeit sowie die letztendliche Entsorgung. Auch soziale Kriterien, wie Arbeitsbedingungen in der Lieferkette oder die Einhaltung von Menschenrechten, werden immer wichtiger. Nachhaltige Produktdaten bilden damit die Grundlage, um Produkte ganzheitlich zu bewerten und Verbesserungsmaßnahmen abzuleiten.

Konkrete Aspekte nachhaltiger Produktdaten

  1. Materialien und Ressourcen:
    Hierzu zählen Informationen zu den verwendeten Rohstoffen, deren Herkunft, Abbaubedingungen und ökologischen Fußabdruck (wie CO₂-Emissionen, Wasserverbrauch oder Landnutzung). Aktuelle Forschungen zeigen beispielsweise, dass der Aluminiumsektor weltweit für ca. 1 % der menschlichen Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. Solche Daten ermöglichen es Unternehmen, auf ressourcenschonendere Alternativen auszuweichen, etwa auf recyceltes Aluminium oder biobasierte Kunststoffe.
  2. Herstellungsprozesse:
    Nachhaltige Produktdaten liefern Einblicke in Energieverbräuche, Produktionsmethoden, Emissionen und Abfallaufkommen. Eine konkrete Kennzahl ist etwa die CO₂-Intensität pro produzierter Einheit. Laut Daten des Europäischen Umweltbüros (EEB) könnten durch Verbesserungen in der Produktion sowie durch Kreislaufkonzepte EU-weit jährlich bis zu mehrere hundert Millionen Tonnen CO₂ eingespart werden.
  3. Vertrieb und Logistik:
    Transportwege, Verpackungsmaterialien und deren Umweltauswirkungen spielen eine große Rolle. Laut Eurostat ist der Transport für rund ein Viertel der gesamten Treibhausgasemissionen in der EU verantwortlich. Nachhaltige Produktdaten helfen, Lieferketten zu optimieren, etwa durch die Wahl emissionsärmerer Transportmittel, effizienterer Routenführung oder einer Reduktion von Einwegverpackungen.
  4. Nutzung und Lebensdauer:
    Daten zu Energieeffizienzklassen, Stromverbrauch im Betrieb oder Lebensdauererwartungen ermöglichen es, Produkte zielgerichtet zu verbessern. Die neue EU-Ökodesign-Verordnung und das ab 2024 schrittweise in Kraft tretende digitale Produktpass-System (Digital Product Passport, DPP) sollen solche Informationen künftig standardisiert bereitstellen. So können Verbraucher etwa die Reparierbarkeit eines Elektrogeräts anhand standardisierter Kriterien beurteilen.
  5. End-of-Life-Phase:
    Welche Recyclingwege stehen zur Verfügung? Wie hoch ist die Wiederverwertungsquote? Können bestimmte Komponenten wiederverwendet werden? Solche Fragen lassen sich nur mit detaillierten Produktdaten beantworten. Ziel ist es, im Sinne der Kreislaufwirtschaft die Ressourcen im Umlauf zu halten und die Abfallmenge zu minimieren. Die EU hat sich im Rahmen des Green Deals und des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft zum Ziel gesetzt, den Anteil recycelter Materialien deutlich zu erhöhen und die Abfallmenge im Vergleich zum Wirtschaftswachstum zu entkoppeln.

Aktuelle politische und regulatorische Entwicklungen


Die Bedeutung nachhaltiger Produktdaten wächst im Zuge neuer EU-Regulierungen massiv. Das zeigt sich unter anderem an folgenden Initiativen:

  • Europäischer Green Deal:
    Der 2019 vorgestellte Green Deal zielt darauf ab, die Europäische Union bis 2050 klimaneutral zu machen. Dazu gehören verschärfte Anforderungen an Produktstandards, mehr Transparenz in Lieferketten sowie ambitionierte Ziele für Kreislaufwirtschaft, Biodiversitätsschutz und Ressourceneffizienz. Produktdaten helfen dabei, diese Fortschritte messbar zu machen und Unternehmen auf Kurs zu halten.
  • EU-Taxonomie:
    Seit 2020 entwickelt die EU ein Klassifizierungssystem (Taxonomie) für nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten. Unternehmen müssen im Rahmen der EU-Taxonomie offenlegen, welcher Anteil ihrer Umsätze, Investitionen und Betriebsausgaben als ökologisch nachhaltig eingestuft werden kann. Dabei sind Produktdaten zentral: Nur wer die Nachhaltigkeit seiner Produkte mit überprüfbaren Kennzahlen belegen kann, erfüllt die strengen Taxonomie-Kriterien.
  • Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD):
    Ab dem Geschäftsjahr 2024 müssen in der EU tätige Unternehmen schrittweise detaillierte Nachhaltigkeitsberichte vorlegen, die den neuen European Sustainability Reporting Standards (ESRS) entsprechen. Dies umfasst nicht nur Angaben zu Emissionen oder sozialen Belangen auf Unternehmensebene, sondern kann perspektivisch auch produktbezogene Daten einschließen. So wird etwa erwartet, dass Unternehmen zukünftig über die Umweltauswirkungen ihrer Hauptprodukte und Dienstleistungen Auskunft geben, um glaubhaft zu belegen, wie nachhaltig ihr Kerngeschäft ist.
  • Digital Product Passport (DPP):
    Im Rahmen der vorgeschlagenen Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte (Ecodesign for Sustainable Products Regulation, ESPR) soll ein digitaler Produktpass eingeführt werden, der Verbrauchern, Behörden und Unternehmen alle relevanten Nachhaltigkeitsinformationen verfügbar macht. Dieser Pass soll u. a. Angaben zur Materialzusammensetzung, Reparierbarkeit, Recyclingfähigkeit und Herkunft der Rohstoffe enthalten. Ziel ist es, einen harmonisierten und transparenten Datenstandard zu etablieren.

Bedeutung für Unternehmen


Für Unternehmen sind nachhaltige Produktdaten von hoher strategischer Bedeutung:

  1. Einhaltung gesetzlicher Vorgaben:
    Mit den neuen EU-Richtlinien (CSRD, EU-Taxonomie, ESPR) steigen die Anforderungen an die Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen. Unternehmen, die hier frühzeitig investieren, profitieren langfristig, indem sie rechtssicher agieren und Strafzahlungen oder Reputationsschäden vermeiden.
  2. Wettbewerbsvorteile:
    Verbraucher legen immer mehr Wert auf glaubwürdige Informationen über die ökologischen und sozialen Auswirkungen der Produkte. Unternehmen, die transparente, verlässliche Daten liefern, bauen Vertrauen auf und können sich positiv von der Konkurrenz abheben. Studien zeigen, dass insbesondere jüngere Konsumentinnen und Konsumenten (Generation Z) vermehrt bereit sind, für nachhaltige Produkte mehr zu bezahlen.
  3. Risikomanagement:
    Mit umfassenden Produktdaten können Unternehmen Risiken in der Lieferkette besser erkennen – etwa in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen, illegalen Rohstoffabbau oder unzureichende Arbeitsstandards. Das 2023 in Diskussion befindliche EU-Lieferkettengesetz (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDD) wird Unternehmen dazu verpflichten, solche Risiken systematisch zu identifizieren und gegenzusteuern.
  4. Kostenreduktion und Effizienzsteigerung:
    Daten über Ressourcenverbräuche oder Abfallströme ermöglichen eine gezieltere Optimierung von Produktionsprozessen. Dadurch können Energiekosten gesenkt, Materialverluste reduziert und damit Kostenersparnisse realisiert werden. Jüngste Untersuchungen deuten darauf hin, dass kreislauforientierte Geschäftsmodelle die Materialkosten um bis zu 20 % reduzieren können.

Vorteile für Verbraucher


Verbraucher profitieren durch nachhaltige Produktdaten auf vielfältige Weise:

  1. Transparenz und informierte Kaufentscheidungen:
    Mit detaillierten Informationen über Herkunft, Produktion, Emissionen und Recyclingfähigkeit können Verbraucher fundierte Entscheidungen treffen. Dies hilft, sich für Produkte zu entscheiden, die weniger negative Umwelt- oder Sozialauswirkungen haben.
  2. Vertrauen und Loyalität:
    Unternehmen, die offen kommunizieren, wo ihre Rohstoffe herkommen oder wie ihre Produkte am Ende des Lebenszyklus recycelt werden können, gewinnen das Vertrauen der Verbraucher. Das stärkt die Kundenbindung und macht es wahrscheinlicher, dass Kunden ihre Kaufentscheidungen an Nachhaltigkeitskriterien ausrichten.
  3. Orientierung in einem komplexen Marktumfeld:
    Da die Anzahl von Öko-Labels, Zertifikaten und Nachhaltigkeitsversprechen ständig wächst, benötigen Verbraucher klare, vergleichbare Kennzahlen. Nachhaltige Produktdaten, die nach einheitlichen Standards erhoben und aufbereitet werden, ermöglichen einen objektiveren Vergleich verschiedener Angebote.

Herausforderungen bei der Erfassung nachhaltiger Produktdaten


Die Erhebung und Bereitstellung dieser Daten ist oft komplex:

  1. Datenverfügbarkeit:
    Viele Lieferketten sind global, fragmentiert und schwer nachverfolgbar. Fehlende Transparenz oder Intransparenz bei Zulieferern erschweren die Datenerhebung. Gerade bei Rohstoffen aus entlegenen Regionen ist es schwierig, genaue Informationen über Arbeitsbedingungen, Umweltstandards oder Emissionen zu erhalten.
  2. Standardisierung:
    Ohne einheitliche Standards und Normen ist ein direkter Vergleich von Produkten oder Unternehmen kaum möglich. Zwar existieren bereits ISO-Normen zu Umweltmanagement (z. B. ISO 14001) oder die Global Reporting Initiative (GRI) für Nachhaltigkeitsberichterstattung, doch fehlen für viele Branchen und Produktkategorien noch spezifische, international anerkannte Bewertungsrahmen.
  3. Komplexität und Kosten:
    Der Aufbau von Datenerfassungssystemen, die Integration von Blockchain-Technologien zur Nachverfolgung von Lieferketten oder die Durchführung umfassender Lebenszyklusanalysen (LCA) sind mit erheblichem Aufwand verbunden. Gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stehen hier vor großen Herausforderungen.
  4. Dynamische Entwicklungen:
    Regulierungen, Technologien und Märkte verändern sich ständig. Unternehmen müssen ihre Datenerfassungssysteme laufend anpassen, um auf dem neuesten Stand zu bleiben. Dies erfordert internes Know-how, Schulungen und regelmäßige Investitionen.

Lösungsansätze und Best Practices


Um diese Herausforderungen zu meistern, setzen Unternehmen vermehrt auf folgende Strategien:

  1. Zusammenarbeit in der Lieferkette:
    Enge Kooperationen mit Zulieferern, Einsatz von digitalen Plattformen für Datenaustausch und die Nutzung von Blockchain-Technologie erhöhen die Transparenz und Verlässlichkeit der Informationen.
  2. Einsatz moderner Technologien:
    Das Internet der Dinge (IoT) liefert Echtzeitdaten über Energieverbräuche und Materialflüsse. Big-Data-Analysen und Künstliche Intelligenz helfen dabei, große Datenmengen effizient auszuwerten und Optimierungspotenziale zu identifizieren.
  3. Einhaltung von Standards und Zertifizierungen:
    Die Orientierung an etablierten Standards wie ISO 14067 (Carbon Footprint von Produkten) oder der Global Reporting Initiative (GRI) erleichtert die Vergleichbarkeit. Ebenso helfen Environmental Product Declarations (EPD) oder Product Environmental Footprints (PEF) dabei, wissenschaftlich fundierte Daten standardisiert zu kommunizieren.
  4. Schulung und Bewusstseinsbildung:
    Unternehmen, die ihre Mitarbeiter regelmäßig im Bereich Nachhaltigkeit, Datenanalyse und Umweltauswirkungen schulen, schaffen eine interne Kultur, in der nachhaltige Produktdaten als integraler Bestandteil des Geschäftsmodells verstanden werden.

Fazit: Ein Wegweiser für eine nachhaltige Zukunft


Nachhaltige Produktdaten sind der Schlüssel, um ökologische, soziale und ökonomische Aspekte von Produkten ganzheitlich zu erfassen. Sie ermöglichen es Unternehmen, ihre Lieferketten zu durchleuchten, Risiken zu reduzieren, Kosten zu senken und Vertrauen bei Kunden, Investoren sowie anderen Stakeholdern aufzubauen. Verbraucher erhalten durch diese Daten die Möglichkeit, bewusster und verantwortungsvoller einzukaufen. Die enge Verzahnung mit aktuellen EU-Regulierungen wie der Taxonomie oder den neuen Berichtsstandards (CSRD, ESRS) zeigt, dass die Bedeutung nachhaltiger Produktdaten weiter zunehmen wird.

In einer Zeit, in der der Klimawandel, der Verlust an Biodiversität und soziale Ungleichheiten drängende Herausforderungen darstellen, sind transparente, vergleichbare und glaubwürdige Nachhaltigkeitsinformationen zu Produkten unverzichtbar. Sie bilden die Basis für fundierte Entscheidungen, zielgerichtete Innovationsprozesse und langfristige Strategien. Damit sind nachhaltige Produktdaten nicht nur ein Mittel zur Erfüllung regulatorischer Vorgaben, sondern auch ein zentrales Instrument, um den Wandel hin zu einer wirklich nachhaltigen Wirtschaft aktiv mitzugestalten.