CSRD: Eine Übersicht über die neuen Berichtspflichten

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CSRD: Eine Übersicht über die neuen Berichtspflichten

Die Corporate Sustainability Reporting Directive CSRD prägt die Zukunft der Unternehmensberichterstattung, schafft einheitliche Nachhaltigkeitsstandards und stärkt das Vertrauen von Investoren und Stakeholdern.

Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) markiert einen wichtigen Wendepunkt in der europäischen Nachhaltigkeitspolitik. Nachdem die Non-Financial Reporting Directive (NFRD) bislang nur einen vergleichsweise kleinen Adressatenkreis zu nichtfinanziellen Offenlegungen verpflichtete, erhöht die CSRD den Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen erheblich und verschärft die inhaltlichen Anforderungen deutlich. Mit dieser Richtlinie will die Europäische Union ein einheitliches, verlässliches und vergleichbares Nachhaltigkeits-Berichtsregime etablieren, das sowohl den Bedürfnissen von Investoren, Verbrauchern und anderen Stakeholdern gerecht wird als auch die Umsetzung der ambitionierten EU-Klimaziele und Nachhaltigkeitsstrategien unterstützt.

Im Folgenden werden die Hintergründe der CSRD, ihre konkreten Inhalte, der erweiterte Geltungsbereich, die neuen Prüf- und Offenlegungspflichten, die Einführung verbindlicher EU-Nachhaltigkeitsstandards (European Sustainability Reporting Standards, ESRS) sowie die Herausforderungen und Chancen für die betroffenen Unternehmen ausführlich dargestellt. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem aktuellen Stand der Umsetzung (Stand 2023/2024), den praktischen Implikationen für die Unternehmenspraxis und den damit einhergehenden Veränderungen im europäischen Corporate-Governance- und Reporting-Umfeld.

Hintergrund und Ziele der CSRD


Die CSRD ist ein zentraler Bestandteil des European Green Deal und des Aktionsplans für Sustainable Finance, den die EU-Kommission bereits 2018 vorgestellt hat. Mit diesem Gesamtpaket verfolgt die EU das Ziel, Kapitalströme verstärkt in nachhaltige Investitionen zu lenken und ein Wirtschaftssystem zu fördern, das langfristig resilient, ressourcenschonend, klimafreundlich und sozialverträglich ist. Zu den bereits eingeführten Instrumenten gehören neben der EU-Taxonomie für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten auch die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), die Transparenz in Bezug auf Nachhaltigkeitsrisiken bei Finanzmarktteilnehmern verbessert.

Die NFRD, die seit 2017 in Kraft ist, verpflichtete bislang nur etwa 11.600 Unternehmen in der EU zur Berichterstattung über nichtfinanzielle Informationen. Diese Berichte waren jedoch häufig wenig vergleichbar, da es weder einheitliche Standards noch klare Vorgaben für die Tiefe und Bandbreite der Offenlegungen gab. Investoren, Analysten und andere Stakeholder kritisierten zudem, dass Informationen zu ESG-Aspekten (Environmental, Social, Governance) oft unvollständig, qualitativ unterschiedlich oder nicht ausreichend überprüft waren. Die CSRD soll diese Defizite beheben, indem sie einheitliche, verlässliche und geprüfte Nachhaltigkeitsinformationen zur Verfügung stellt.

Wesentliche Neuerungen und Anwendungsbereich

  1. Erweiterter Adressatenkreis:
    Im Gegensatz zur NFRD, die nur große kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern umfasste, erstreckt sich die CSRD deutlich weiter. Sie gilt zukünftig für alle großen Unternehmen, unabhängig davon, ob sie börsennotiert sind oder nicht. Als groß gelten Unternehmen, die mindestens zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen:
    • Über 250 Mitarbeiter
    • Mehr als 40 Mio. Euro Umsatz
    • Eine Bilanzsumme von mehr als 20 Mio. Euro
    Zusätzlich werden ab 2026 auch kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Unternehmen (KMU) – mit Ausnahme von Micro-Entities – in die Berichterstattungspflicht einbezogen. Schätzungen zufolge könnten dadurch mehr als 50.000 Unternehmen in der EU berichtspflichtig werden, im Gegensatz zu bisher rund 11.600.
  2. Detailliertere und umfassendere Berichterstattung:
    Die CSRD verlangt ausführlichere Informationen zu Umwelt- und Klimaschutz, Ressourceneffizienz, Kreislaufwirtschaft, Biodiversität, Menschenrechten, Arbeitnehmerrechten, Diversität, Arbeitsbedingungen, Anti-Korruptionsmaßnahmen, ethischem Verhalten und weiteren ESG-Themen. Die Offenlegungspflichten richten sich dabei nicht nur auf die eigenen Geschäftsaktivitäten, sondern auch auf die Wertschöpfungskette, Lieferantenbeziehungen und Nutzung der Produkte.Unternehmen sollen künftig aufzeigen, wie Nachhaltigkeitsfaktoren ihre Geschäftsentwicklung, Performance und Position beeinflussen und umgekehrt, welchen Einfluss ihre Tätigkeit auf Mensch, Umwelt und Gesellschaft hat. Dieser beidseitige Materialitätsansatz (Double Materiality) ist ein Kernmerkmal der CSRD und unterscheidet sich von rein investorenzentrierten Berichtsstandards.
  3. Verpflichtende externe Prüfung:
    Um die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit der Nachhaltigkeitsberichte zu erhöhen, müssen diese zukünftig von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer oder einer anderen anerkannten Prüfungsstelle testiert werden. Damit wird Nachhaltigkeitsberichterstattung ähnlich streng reguliert wie die klassische Finanzberichterstattung. Dies trägt erheblich dazu bei, dass die offengelegten Informationen glaubwürdig, korrekt und vollständig sind.
  4. EU-Nachhaltigkeitsberichtsstandards (ESRS):
    Ein wesentlicher Fortschritt ist die Entwicklung verbindlicher europäischer Berichtsstandards. Die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) hat den Auftrag erhalten, die ESRS zu entwickeln. Diese Standards sollen klar definieren, welche Kennzahlen, Indikatoren und qualitativen Informationen offenzulegen sind. Anfangs werden die ESRS sich vor allem auf Kernthemen wie Klima, Umwelt, Menschenrechte und Governance konzentrieren. Mittelfristig sollen sie jedoch laufend erweitert und verfeinert werden.Im November 2022 hat die EU den finalen Rechtsakt zur CSRD verabschiedet. Im Juli 2023 hat die Europäische Kommission die ersten Setzungen der ESRS angenommen. Diese sollen erstmals für Geschäftsjahre ab 2024 angewendet werden, wobei die Einführung gestaffelt erfolgt:
    • Ab 2025 für bereits jetzt berichtspflichtige Unternehmen (gemäß NFRD),
    • ab 2026 für große Unternehmen, die bislang nicht berichtspflichtig waren,
    • ab 2027 für börsennotierte KMU, kleine und nicht komplexe Kreditinstitute sowie firmeneigene Versicherungsunternehmen (mit Erleichterungen in den ersten Jahren),
    • ab 2029 für Drittstaatenunternehmen mit bedeutenden Tätigkeiten in der EU.
  5. Digitale Berichterstattung und ESAP:
    Die Nachhaltigkeitsberichte müssen zukünftig in digitalem, maschinenlesbarem Format vorliegen und in den European Single Access Point (ESAP) eingestellt werden. Dieses zentrale europäische Datenportal soll Investoren und Analysten den Zugang zu Nachhaltigkeitsinformationen deutlich erleichtern. So können verschiedene Anbieter, Produkte und Unternehmen besser miteinander verglichen und Entscheidungen fundierter getroffen werden.

Aktuelle Entwicklungen und Integration in den EU-Regulierungsrahmen


Die CSRD steht nicht für sich allein, sondern fügt sich in eine Reihe von Nachhaltigkeitsinitiativen der EU ein. So werden die durch die CSRD offengelegten Daten etwa für die Bewertung von Finanzprodukten im Rahmen der SFDR oder für die Prüfung von Taxonomie-Konformität herangezogen. Darüber hinaus gewinnen ESG-Aspekte im Rahmen von MiFID II und der Insurance Distribution Directive (IDD) an Bedeutung, da Finanzberater seit August 2022 verpflichtet sind, die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden in der Anlageberatung zu berücksichtigen.

Die Harmonisierung der Berichtspflichten fördert langfristig ein konsistentes „Sustainability Reporting Ecosystem“ in Europa. Unternehmen, Investoren und andere Stakeholder profitieren von einem nachvollziehbaren, standardisierten Set an ESG-Kennzahlen und -Angaben. Damit rückt die CSRD Europa global in eine Vorreiterrolle, die möglicherweise auch internationale Berichtsstandards beeinflusst. Die IFRS Foundation und das International Sustainability Standards Board (ISSB) arbeiten ebenfalls an globalen Nachhaltigkeitsstandards, die sich an der europäischen Entwicklung orientieren und perspektivisch kompatibel gestaltet werden könnten.

Auswirkungen auf Unternehmensberichterstattung und -praxis


Die CSRD hat weitreichende Konsequenzen für Unternehmen:

  1. Erhöhter Aufwand und Kosten:
    Unternehmen müssen in neue Systeme, Prozesse und IT-Infrastrukturen investieren, um relevante ESG-Daten zeitnah, vollständig und verlässlich zu erfassen. Dies umfasst die Integration von Daten aus unterschiedlichen Quellen (Lieferkettendaten, Ressourcenverbräuche, Emissionsfaktoren, Arbeitsstandards) sowie die Etablierung solider interner Kontrollsysteme zur Qualitätssicherung. Zudem fallen Kosten für externe Prüfungen, Beratungsdienstleistungen und Schulungen an.
  2. Verbesserte Transparenz, Vergleichbarkeit und Glaubwürdigkeit:
    Die Einführung einheitlicher EU-Standards und der Prüfvorgaben erleichtert den Vergleich zwischen Unternehmen. Für Investoren, Kreditgeber und Ratingagenturen bietet dies eine verlässliche Basis für ESG-Analysen. Transparenz und Glaubwürdigkeit der Informationen steigen, was sich langfristig positiv auf das Vertrauen in die Kapitalmärkte und die Unternehmensreputation auswirken kann.
  3. Strategische Ausrichtung auf Nachhaltigkeit:
    Die CSRD zwingt Unternehmen dazu, sich intensiver mit ihren Nachhaltigkeitsstrategien auseinanderzusetzen. Dabei geht es nicht nur darum, den Berichtspflichten formell nachzukommen, sondern auch darum, ESG-Risiken und -Chancen besser zu verstehen und in strategische Entscheidungen einzubeziehen. Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeitsleistung glaubwürdig verbessern, können sich gegenüber Wettbewerbern differenzieren und ihre Attraktivität für Investoren, Kunden und Talente steigern.
  4. Anpassung der Corporate Governance und Organisationsstrukturen:
    Da Nachhaltigkeitsinformationen zunehmend prüfungspflichtig sind, wächst die Bedeutung von Gremien, wie dem Aufsichts- oder Verwaltungsrat, bei der Überwachung ESG-relevanter Themen. Unternehmen müssen sicherstellen, dass Verantwortlichkeiten klar definiert, Kompetenzen aufgebaut und interne Kontrollen gestärkt werden. Dies erfordert häufig eine stärkere Einbindung des Top-Managements in ESG-Themen und die Einstellung oder Weiterbildung von Fachpersonal.
  5. Wertschöpfungsketten- und Lieferkettenmanagement:
    Da die CSRD Angaben zur gesamten Wertschöpfungskette einfordert, rückt das Lieferkettenmanagement in den Fokus. Unternehmen müssen Informationen zu Lieferanten, Beschaffungspraktiken und Umweltauswirkungen entlang der gesamten Kette erheben. Dies schafft Anreize, mit Zulieferern zusammenzuarbeiten, Standards zu harmonisieren und Nachhaltigkeitsanforderungen verbindlich zu verankern. Langfristig kann dies zu mehr Transparenz und Stabilität in den Lieferketten beitragen.

Herausforderungen bei der Umsetzung


Die Umsetzung der CSRD ist komplex und mit einer Reihe von Herausforderungen verbunden:

  1. Datenverfügbarkeit und -qualität:
    Viele ESG-Indikatoren sind schwieriger zu messen als finanzielle Kennzahlen. Um verlässliche Informationen zu erhalten, müssen oft Schätzungen, externe Datenbanken, Zertifizierungen oder innovative Messmethoden eingesetzt werden. Die Verfügbarkeit aussagekräftiger ESG-Daten ist jedoch noch nicht in allen Branchen und Regionen gewährleistet, was den Umsetzungsprozess erschwert.
  2. Komplexität der Vorgaben:
    Die Fülle an Regulierungsvorhaben (CSRD, EU-Taxonomie, SFDR, nationale Regelungen) und die Vielzahl an ESRS-Standards und Themenbereichen kann für Unternehmen unübersichtlich sein. Ein tiefes Verständnis der Zusammenhänge und Wechselwirkungen ist erforderlich, um effizient zu berichten und Doppelarbeit zu vermeiden.
  3. Ressourcen- und Kompetenzmangel:
    Insbesondere kleinere Unternehmen verfügen häufig nicht über ausreichende interne Ressourcen, um die neuen Anforderungen umzusetzen. Sie müssen externe Expertise hinzuziehen, Mitarbeitende schulen und interne Prozesse umgestalten. Dies erhöht vorübergehend den personellen und finanziellen Aufwand.
  4. Zeitliche Staffelung der Einführung:
    Zwar ermöglicht die gestaffelte Einführung der Berichtspflichten eine gewisse Anpassungsphase. Dennoch ist der Zeitrahmen knapp, um interne Strukturen aufzubauen, Datenqualität zu sichern und geeignete Prüfungspartner zu finden. Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit den Anforderungen ist daher unerlässlich.

Chancen durch die CSRD


Trotz der Herausforderungen bietet die CSRD auch erhebliche Chancen:

  1. Verbesserter Zugang zu Kapital:
    Transparente und standardisierte ESG-Berichte machen es leichter, nachhaltig orientierte Investoren anzusprechen und Zugang zu grünem Kapital zu erhalten. Unternehmen mit glaubwürdiger Nachhaltigkeitsperformance können sich in einem wachsenden Markt für nachhaltige Finanzierungen positionieren und von günstigen Konditionen oder staatlichen Förderungen profitieren.
  2. Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit:
    Mit der CSRD werden Nachhaltigkeitsleistungen messbarer und vergleichbarer. Unternehmen, die sich frühzeitig auf die neuen Anforderungen einstellen, können sich als ESG-Vorreiter profilieren, neue Kundengruppen gewinnen, Marktnischen besetzen oder langfristig Lieferantenbeziehungen stabilisieren. Auch die Personalsuche kann erleichtert werden, da immer mehr Fachkräfte Wert auf nachhaltiges Wirtschaften legen.
  3. Innovation und Prozessoptimierung:
    Die intensive Auseinandersetzung mit ESG-Aspekten kann interne Innovationsprozesse beflügeln. Unternehmen, die etwa ihren Ressourcenverbrauch und ihre Emissionen systematisch erfassen, erkennen Einsparpotenziale und Effizienzsteigerungsmöglichkeiten. Nachhaltigkeitsaspekte können so zum Treiber für technologische Neuerungen und Prozessverbesserungen werden.
  4. Langfristige Risikominimierung:
    Die Einbindung von ESG-Risiken in strategische Entscheidungen und Risikomanagement-Systeme hilft Unternehmen, langfristig besser auf regulatorische Änderungen, Klimarisiken, Lieferkettenstörungen oder gesellschaftliche Umbrüche vorbereitet zu sein. Damit stärkt die CSRD auch die Widerstandsfähigkeit der Unternehmen gegenüber externen Schocks.

Fazit


Die Corporate Sustainability Reporting Directive markiert einen Paradigmenwechsel in der europäischen Berichtslandschaft. Durch ihren deutlich erweiterten Anwendungsbereich, die Einführung klarer EU-Berichtsstandards, die externe Prüfungspflicht und die verpflichtende digitale Veröffentlichung schafft die CSRD ein einheitliches, vergleichbares und glaubwürdiges ESG-Reporting. Zwar ist die Umsetzung für viele Unternehmen herausfordernd und mit höheren Kosten verbunden, jedoch überwiegen langfristig die Vorteile: mehr Transparenz, besser informierte Investoren, verbesserter Zugang zu Kapital, glaubwürdigere ESG-Profile und ein gestärktes Vertrauen in den Kapitalmarkt.

Unternehmen, die frühzeitig anfangen, interne Strukturen anzupassen, Datenqualität zu sichern, Kompetenzen aufzubauen und ESG-Themen in ihre Strategie zu integrieren, können von einem klaren Wettbewerbsvorteil profitieren. Die CSRD ist damit nicht nur eine regulatorische Hürde, sondern vor allem eine Chance, Nachhaltigkeit zum festen Bestandteil des unternehmerischen Handelns zu machen und sich erfolgreich im zunehmend nachhaltigkeitsorientierten europäischen Marktumfeld zu positionieren.