Digitaler Produktpass am Beispiel von Bonprix: Mehr Transparenz in der Modeindustrie

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Digitaler Produktpass am Beispiel von Bonprix: Mehr Transparenz in der Modeindustrie

Die Badekollektion von Bonprix zeigt, wie ein Nachhaltigkeitspass Verbrauchern helfen kann, informierte Kaufentscheidungen zu treffen – und dabei problematische Lieferkettenstrukturen offenlegt.

Das Thema Nachhaltigkeit hat in der Modebranche in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Immer mehr Verbraucher wünschen sich glaubwürdige Informationen zur Herkunft ihrer Kleidung, den verwendeten Materialien und den ökologischen Auswirkungen der Produktion. Hier setzt der Digitale Produktpass an, ein Instrument, das alle relevanten Daten rund um ein Produkt über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg dokumentiert. Wie dies in der Praxis aussehen kann, demonstriert das Modeunternehmen Bonprix mit seiner jüngst vorgestellten Badekollektion und dem dazugehörigen „Sustainability Passport“.

Was ist ein digitaler Produktpass?


Ein digitaler Produktpass fasst alle wesentlichen Informationen zu einem Produkt kompakt und nachvollziehbar zusammen. Er dient als „digitaler Zwilling“ des Artikels und macht die Lieferkette, verwendete Materialien sowie deren Umweltwirkungen transparent. Durch moderne Technologien – etwa QR-Codes oder Blockchain-basierte Lösungen – können Kunden und andere Stakeholder die Daten einsehen, um fundierte Entscheidungen zu treffen und verantwortungsvollen Konsum zu unterstützen.

Das Beispiel Bonprix: Nachhaltigkeitspass für Bademode


Bonprix, ein zum Otto-Konzern gehörendes Modeunternehmen, hat im Sommer 2023 eine neue Badekollektion aus recycelten Materialien eingeführt. Ergänzend präsentiert das Unternehmen einen „Sustainability Passport“, der über einen QR-Code abrufbar ist (Direktlink). Dieser Pass zeigt exemplarisch, wie ein digitaler Produktpass dazu beitragen kann, Lieferketten transparenter zu gestalten.

Einblick in die Lieferkette: Globale Komplexität wird sichtbar


Ein zentraler Mehrwert des Nachhaltigkeitspasses ist die Offenlegung der Lieferkette. Die bereitgestellten Informationen ermöglichen es, die verschiedenen Stufen des Produktionsprozesses nachzuvollziehen: von der Garnherstellung über die Stofffärberei bis hin zur Konfektionierung. Im Fall von Bonprix werden Standorte in Asien genannt, etwa chinesische Hersteller für das Garn und Stofffärbereien sowie Konfektionierer in Sri Lanka.

Lieferkette der Bademode nach „Sustainablity Passport“, Quelle: Bonprix.

Gerade hier zeigt sich jedoch, dass Transparenz nicht automatisch eine „perfekte“ Lieferkette bedeutet: Internationale Wertschöpfungsprozesse sind komplex, oft verteilt auf mehrere Länder und Dienstleister, und damit potenziell problematisch. Regionale Unterschiede in Umweltstandards, soziale Herausforderungen in der Textilindustrie oder mangelnde Durchsetzung von Arbeitsrechten können sich entlang dieser globalen Ketten verbergen. Der Digitale Produktpass stellt diese Komplexität offen dar: Er macht für Verbraucher sichtbar, dass die Produktion nicht in einem einzigen, streng kontrollierten Werk stattfindet, sondern ein Flickenteppich aus vielen Akteuren ist. Dies ist zwar kein Garant für sofortige Verbesserungen, aber es schafft Bewusstsein dafür, dass Nachverfolgung und Kontrolle im globalen Kontext schwierig sind – und weckt somit auch Druck auf Unternehmen, diese Strukturen künftig weiter zu verbessern.

Materialherkunft und Zusammensetzung


Im Nachhaltigkeitspass wird klar ersichtlich, dass die Badekollektion aus recyceltem Polyester besteht, um Ressourcen zu schonen und den CO₂-Fußabdruck zu reduzieren. Diese konkrete, überprüfbare Materialangabe geht über vage Werbeversprechen hinaus und schafft verlässliche Fakten, die durch die offene Kommunikation der Lieferkette ergänzt werden. So können Kunden nachvollziehen, dass nachhaltige Materialien nicht nur eine Marketingfloskel sind, sondern sich anhand konkreter Quellen und zertifizierter Recyclingverfahren belegen lassen.

Umweltauswirkungen und Zertifizierungen


Ein weiteres Herzstück des Nachhaltigkeitspasses sind Daten zu CO₂-Emissionen, Wasserverbrauch und eingesetzten Chemikalien. Dazu kommen Verweise auf externe Standards und Zertifizierungen wie OEKO-TEX®. Durch die Verknüpfung mit bekannten Prüfsiegeln gewinnt die Glaubwürdigkeit der Angaben an Gewicht. Gerade vor dem Hintergrund der komplexen Lieferkette sind solche externen Referenzen wichtig, um Verbraucher davon zu überzeugen, dass Bonprix nicht nur Daten liefert, sondern diese auch extern validieren lässt. Dies erschwert Greenwashing erheblich, da vage Behauptungen durch verbindliche, nachvollziehbare Fakten ersetzt werden.

Umweltauswirkungen und Ressourcenverbrauch im „Sustainability Passport“, Quelle: Bonprix.

Warum ist dieser Ansatz wegweisend?


Der Fall Bonprix zeigt, dass die Modeindustrie mit Digitalen Produktpässen einen entscheidenden Schritt zur ehrlichen Kommunikation ihrer Wertschöpfungsprozesse macht. Diese Transparenz deckt auf, was früher oft verborgen blieb: Lieferketten sind global verzweigt, nicht immer problemlos und erfordern ständige Kontrolle. Anstatt die Komplexität zu kaschieren, legt der Nachhaltigkeitspass sie offen und lädt Verbraucher ein, die Konsequenzen ihres Konsums bewusster einzuschätzen.

Dies führt zu einem gerechteren Wettbewerb, bei dem Unternehmen, die tatsächlich in umweltverträglichere Materialien, faire Arbeitsbedingungen und ressourceneffiziente Prozesse investieren, dies offen zeigen können. Problematische Lieferketten werden nicht mehr einfach hingenommen, sondern sichtbar gemacht. Die daraus entstehende Öffentlichkeit und der Verbraucheranspruch nach Verbesserungen können wiederum Druck auf die Unternehmen ausüben, ihre globalen Strukturen schrittweise nachhaltiger und fairer zu gestalten.

Ausblick und Weiterentwicklung


Mit der Ausweitung des Digitalen Produktpasses auf immer mehr Produkte und Branchen könnte dieses Instrument zum neuen Standard in der Kommunikation von Umwelt- und Sozialstandards werden. Die EU arbeitet mit zukünftigen Regelungen wie der „Green Claims Directive“ an weiteren rechtlichen Rahmenbedingungen, um glaubwürdige Umweltaussagen abzusichern. Auf lange Sicht werden Unternehmen, die nachhaltig agieren, dadurch belohnt, während sich für andere der Anreiz erhöht, ihre Lieferketten ernsthaft zu verbessern, um nicht öffentlich als problematisch wahrgenommen zu werden.

Für Verbraucher bedeutet dies: Sie haben Zugriff auf fundierte, unabhängige Informationen, die weit über klassische Werbung hinausgehen. Dadurch können sie Produkte nach nachvollziehbaren Kriterien auswählen, Nachhaltigkeitsbemühungen unterstützen und, wenn nötig, auch Druck auf Hersteller ausüben, ihre Lieferketten zu reformieren.

Fazit


Der Digitale Produktpass, wie ihn Bonprix bei seiner Badekollektion nutzt, ist weit mehr als ein Marketing-Gag. Er liefert detaillierte Informationen über Materialien, Umweltauswirkungen und die globale Lieferkette. Letztere kann durchaus „so eine Sache“ sein – verzweigt, komplex und potenziell problematisch – doch genau diese Offenlegung ist der erste Schritt zur Veränderung. Auf diese Weise ermöglicht der Nachhaltigkeitspass Verbrauchern eine informierte Entscheidung und setzt Anreize für echte Verbesserungen in der Modeindustrie. Langfristig kann dieses Instrument maßgeblich dazu beitragen, dass Mode nicht nur „grün“ aussieht, sondern es auch wirklich ist.